Bürgerprojekte
Faszination Jakobsweg
Von Breslau über Wißkirchen nach Santiago
Jürgen Sauer fuhr 3.509 Kilometer im Fahrradsattel quer durch Europa
(Stand: 31.12.2009 – Kurzfassung mit Auszügen aus meinen Pilgertagebüchern)
Kirchen und Klöster, Meisterwerke romanischer und gotischer Baukunst, grandiose Landschaften, fremde Bräuche und Sitten, ein buntes Pilgervolk aus aller Welt sowie eine tausendjährige Tradition - Berichte hierüber von seinem damaligen Pfarrer faszinierten Jürgen Sauer seit seiner Kindheit und so entstand im Laufe der Jahre die Idee, den Jakobsweg nach seiner Pensionierung für sich zu entdecken.
„Wenn Du Dich auf den Weg machst, öffnet der Horizont seine Grenzen.“
(Orientalisches Sprichwort)
Im Herbst 2006 starte ich das Abenteuer „Jakobsweg“ auf dem Fahrrad mit dem ersten Teilstück von Wißkirchen durch die Eifel über Trier nach Metz in Lothringen, nicht ohne mir vorher einen Pilgerausweis (Credential del Peregrino) besorgt zu haben. Begleitet werde ich von meinem Enkel Daniel. Unterwegs erleben wir viel Gastfreundschaft, aber auch seltsame Sitten.
So müssen wir uns an das spartanische Frühstück in Frankreich erst gewöhnen. Es folgen drei einwöchige Etappen quer durch Frankreich von Metz über Vezelay im Norden Burgunds und den berühmten französischen Pilgerweg der Via Lemovicensis nach St. Jean-Pied-de-Port am Fuße der Pyrenäen. Für meinen Enkel Daniel ist zwischenzeitlich mein ehemaliger Kollege Peter Lipp als Weggefährte eingesprungen.
Wir lernen unsere Mitbüger kennen
Wißkirchener Bürger stellen sich und ihre Projekte vor.
Interessante Reisen, tolle Fähigkeiten, bemerkenwerte Hobbys. Wenn Sie der Ansicht sind, das sollten Ihre Mitbürger wissen, dann stellen Sie es hier mit knappem Text und Fotos ins Netz.
Bitte Email an webmaster@eu-wisskirchen.de oder Rücksprache Tel. 4911.
Bisher hier veröffentlicht:
1. Faszination Jakobsweg (Jürgen Sauer)
Jakobswege in Europa
In Südfrankreich: Noch 1. 000 km bis Santiago
Bild 1
In St. Jean im französischen Baskenland hat Hape Kerkeling den Pilgerweg nach Santiago de Compostela zum Grab des Apostels Jakobus begonnen, den er in seinem Bestseller „Ich bin dann mal weg“ beschreibt. Am 07. Oktober 2007 nehmen wir dort nach dem Besuch der zweisprachigen Pilgermesse (baskisch/französisch) in der Pfarrkirche Notre-Dame die „Pyrenäen-Überquerung“ in Richtung Spanien in Angriff.
Teilweise geht es über die historische Route Napoleon, den größten Teil über die Landstraße in Richtung Pamplona – immer bergauf. Bis zum Ibaneta-Pass in 1.057 Metern Höhe begleiten uns Regen, Kälte und Nebel. Nach über vier anstrengenden Stunden im Sattel ist es geschafft. Wir sind in der spanischen Provinz Navarra. Ich habe jetzt 1.631 Kilometer und damit rund 70 Prozent des Weges nach Santiago zurückgelegt.
„Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst Du das Unmögliche.“
(Franz von Assisi)
Am 12. Juni 2008 beginnt in Pamplona, der Hauptstadt Navarras, das letzte, aber auch längste Teilstück des Pilgerweges. Auf dem klassischen „Camino Francés“ geht es über so bekannte Städte wie Burgos und Leon zum „Sehnsuchtsziel“ nach Santiago de Compostela im fernen Galicien. Dazu müssen wir in den nächsten Tagen noch einmal 782 Kilometer bewältigen. Am 22. Juni 2008 wollen wir in Santiago sein.
Berühmeter Pilgerbrunnen
aus dem Wasser und Wein fließen (Bild 2)
In Logrono, der Hauptstadt der berühmten Weinbauregion La Rioja, wird der Ebro auf der alten Römerbrücke überquert. St. Domingo de la Calzada ist wegen seines „Hühnerwunders“ bekannt. Hieran erinnert in der Kathedrale ein gotischer Käfig, in dem ein weißer Hahn und eine weiße Henne gehalten werden. Der heilige Domingo hat nach der Überlieferung im Mittelalter einen jugendlichen Pilger vor dem Tod am Galgen bewahrt, der fälschlicherweise wegen Diebstahls verurteilt worden war.
Vor Burgos erreichen wir die Eingangspforte nach Kastilien. Burgos ist die Stadt mit den meisten Sehenswürdigkeiten auf dem Jakobsweg. Wir besichtigen die imposante Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert mit der berühmten Abbildung des heiligen Jakobus als „Maurentöter“, das Stadttor Santa Maria, Denkmal und Grab des kastilischen Nationalhelden El Cid und das mittelalterliche Kloster Las Huelgas.
Wir lernen Arnold aus Holland kennen, einen pensionierten Geschichtslehrer, der den Jakobsweg schon zum zweiten Mal mit dem Fahrrad fährt, und Dieter und Günter, zwei Radpilger aus Darmstadt, denen wir auf der weiteren Strecke noch öfters begegnen werden. Eine Aufenthalt wert ist auch Leon, die alte Hauptstadt Kastiliens. Sie verfügt über außergewöhnliche historische Gebäude, deren Prunkstück zweifelsfrei die gotische Kathedrale ist, eine der schönsten Kirchen Spaniens.
Mit Arnold, den wir hier wieder treffen, essen wir gemeinsam zu Abend und tauschen Erlebnisse und Erfahrungen der bisherigen Pilgerfahrt aus. In der Unterkunft lernen wir Ulrike aus Ratingen kennen, die auch mit dem Fahrrad unterwegs ist. Sie bietet uns für den nächsten Urlaub ihre zwei Ferienwohnungen im Schwarzwald an.
„Es gibt Berge, über die man hinüber muss, sonst geht der Weg nicht weiter.“
(aus dem Spanischen)
Der Aufstieg zum Cruz de Ferro („Eisenkreuz“) gehört zu den Höhepunkten des Camino und ist ein absolutes Muss für jeden Jakobspilger. In 1.504 m Höhe überqueren wir hier das sogenannte „Dach des Jakobsweges“. Ohne größere Probleme, unterbrochen von zwei Schiebephasen, erreichen wir das wohl symbolträchtigste Kreuz auf dem ganzen Weg.
Am Cruz de Ferro
Auf dem Dach des Jakobswegs (Bild 3)
Es ist ein schlichtes Eisenkreuz auf einem dürren, rund fünf Meter hohen Baumstamm, das auf einem großen Haufen von Millionen von Steinen steht. Nach einer tausendjährigen Tradition bringen die Pilger die Steine aus der Heimat mit und legen sie hier ab. Auch ich lege Steine ab, die ich am Veybach in Wißkirchen gesammelt habe, verbunden mit dem Wunsch auf Gesundheit für Familie und Freunde.
Vor der Weiterfahrt zünden wir eine Kerze in der kleinen Jakobus-Kapelle an und lassen uns von einem englischen Radpilger vor dem Kreuz auf dem Steinhügel fotografieren. Die Tagesetappe mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad ist der Anstieg zum Monte Cebreiro. Etwa 16 Kilometer mit fast 750 Höhenmetern und mühselige Steigungen bis zu 17 Grad müssen bewältigt werden.
Dort erreichen wir die Grenze zur Region Galicien. Die weitere Fahrt ist geprägt von der grünen, waldigen Landschaft und den galicischen Bergen mit riesigen Ginsterflächen sowie Heidekraut und wildem Lavendel. Beim Durchfahren historischer Städtchen und namenloser Weiler haben Peter und ich das Gefühl, ins Mittelalter zurückversetzt zu sein.
Der Aufstieg zum Monte do Gozo (Berg der Freude) ist die letzte Herausforderung. Auf der Höhe angekommen, sehen wir im Tal zum ersten Mal die Türme der Kathedrale von Santiago de Compostela. Das Ziel ist sichtbar. Stolz, Freude und eine tiefe Zufriedenheit überkommen mich. Ich bin unglaublich dankbar, dass ich nach all den Mühen und Strapazen heil angekommen bin.
„Keiner kommt von einer Reise so zurück, wie er weggefahren ist.“
(Graham Greene)
Nach einer letzten Abfahrt erreichen wir das Ortsschild von „Santiago“. Es geht weiter durch die mittelalterliche Altstadt auf dem Weg zum Vorplatz der Kathedrale, der Plaza de Obradoiro, einem der schönsten Plätze Spaniens. Überwältigt von unseren Gefühlen stehen mein Begleiter und ich vor der großartigen Kathedrale.
Nach einem Gebet in dem geschichtsträchtigen Gotteshaus und dem Besuch des Jakobus-Schreins in der Krypta unter dem Hauptaltar, führt mich mein Weg zum Pilgerbüro (Oficina de Peregrinos), um die „compostela“ zu beantragen. So nennt die sich vom Domkapitel ausgestellte offizielle Urkunde für die erfolgreiche Pilgerfahrt.
In Santiago gibt es die begehrte Pilgerurkunde
(Bild 4)
Nach Fragen zu den Gründen für die Pilgerreise und der Überprüfung meines Pilgerausweises mit den Stempeln von unterwegs, wird mir die Urkunde feierlich überreicht. Ich erhalte den lateinischen Pilgernamen „Georgium“. Den Rückweg von einem einmaligen und unvergesslichen Erlebnis gestalten wir dann etwas komfortabler. Wir montieren unsere Räder auseinander und nehmen den Flieger zurück in die Heimat.
Zu Hause schreibe ich meine Erinnerungen nieder und verarbeite Mitbringsel wie Broschüren, Kartenmaterial und zahllose Fotos. Beeindruckt von meinen bisher gemachten Erlebnissen, Eindrücken und Begegnungen reift dabei der Entschluss, weitere Pilgerwege des mittelalterlichen Netzwerkes durch Europa auf dem Fahrrad zu erkunden. Die Faszination des Jakobsweges lässt mich nicht los.
Wie ich anhand alter Landkarten feststelle, kamen die Pilger damals aus ganz Europa nach Santiago, um die Hilfe des Apostels Jakobus zu erflehen und um Gnade „für ihr sündiges Leben“ zu bitten. Viele dieser Wege werden heute wieder entdeckt.
Das gilt auch für die Via Regia, eine mittelalterliche Handelsstraße, die von Ost nach West durch Polen und Mitteldeutschland und über Aachen oder Köln in Richtung Frankreich führt. Die Pilger nutzten sie früher auf ihrem beschwerlichen Weg ins ferne Spanien.
„Das unruhige Herz ist die Wurzel der Pilgerschaft. Im Menschen lebt die Sehnsucht.“
(Augustinus)
Im Sommer 2009 ist es dann soweit. Ausgangsort meiner Pilgerfahrt ist Breslau an der Oder, das heutige Wroclaw in Polen. Von dort führt mich mein Weg durch Schlesien und Nordböhmen (in Tschechien), durch die Lausitz und Sachsen, durch Sachsen-Anhalt und Thüringen nach Marburg an der Lahn und von dort über Siegen und Köln nach Wißkirchen. Weitere erlebnisreiche 1.080 Kilometer liegen vor mir.
Dabei begegne ich unterwegs Zeugnissen von Pilgerfahrten nach Santiago in vielen Orten. Beeindruckt bin ich bei meiner Fahrt durch Schlesien von der Frömmigkeit der Polen und ihrer Gastfreundschaft. Ich komme durch kleine Bauerndörfer, in deren Vorgärten Ziegen, Gänse und Hühner gehalten werden. Das erinnert mich an meine eigene Kindheit.
Treffe einen polnischen Schornsteinfeger
Er wünscht mir Glück für meinen weiteren Weg (Bild 5)
Die deutsch/polnische Grenze erreiche ich in Görlitz an der Neiße, der östlichsten Stadt Deutschlands. Sie liegt in der Lausitz. Von dort mache ich einen Abstecher über die Via Sacra nach Zittau und nach Liberec (früher Reichenberg) in Tschechien, einer alten Stadt an den Ausläufern des Riesengebirges. Zwischen Ostriz und Zittau besuche ich das idyllisch an der Neiße gelegene barocke Kloster St. Marienthal.
In Bautzen stoße ich wieder auf die Via Regia. „Bautzen/Budysin“ - zweisprachig grüßt mich das Ortsschild der über tausend Jahre alten Stadt an der Spree. Denn das Zentrum der Oberlausitz ist gleichzeitig die Hauptstadt der slawischsprachigen Sorben. Saniert und renoviert ziehen mich Städte auf der weiteren Pilgerfahrt wie Dresden, Leipzig, Merseburg, Erfurt, Gotha und Marburg mit einer Mischung aus alter und neuer Geschichte und Kultur in ihren Bann.
Ein Erlebnis ist die Überfahrt über die Elbe in Strehla mit einer kleinen Personenfähre. Die Überquerung der Elbe mit einer Fähre war den Pilgern hier bereits seit 1524 möglich. Beeindruckt haben mich Schloss Neuenburg, eine Residenz des Landgrafen von Thüringen, oberhalb von Freyburg an der Unstrut und der Dom in Naumburg. Der Dom aus dem 13. Jahrhundert ist eines der bedeutendsten Sakralbauten Deutschlands.
Auf der Wartburg hoch über Eisenach
(Bild 6)
Die Strapazen wert ist die Fahrt vom Marktplatz in Eisenach zur Wartburg hoch über dem Städtchen. Auf die Wartburg, die den Titel „Weltkulturerbe“ trägt, pilgert jedes Jahr rund eine halbe Million Besucher. Hier hat nicht nur Martin Luther das Neue Testament vom griechischen ins deutsche übersetzt, hier hat zeitweise auch die Heilige Elisabeth gelebt.
Die historisch belegte Pilgerroute führt mich von Eisenach durch Nordhessen zur Grabeskirche der Heiligen Elisabeth in Marburg an der Lahn und von dort weiter über die westfälische Handelsstadt Siegen nach Köln. In der Sakristei des Kölner Doms erhalte ich den Dom-Stempel in meinen Pilgerpass. Dort kann ich auch die Ahnengalerie der Kölner Kardinäle bewundern.
Danach fahre ich über Brühl und durch das Vorgebirge weiter nach Weilerswist. Hier folgt der Jakobsweg der Erft entlang nach Euskirchen. In Wißkirchen angekommen zeigt der Kilometerzähler meines Fahrrads 3.509 km.
„Wir sind niemals am Ziel, sondern immer auf dem Weg.“
(Vinzenz von Paul, 17. Jh.)
Getreu des Zitats des französischen Paters Vinzenz von Paul werde ich mich im Frühsommer 2010 auf die Wege der Jakobspilger zwischen Rhein und Maas machen. Die rund 260 Kilometer lange Strecke führt von Nijmegen über Kranenburg, Kevelaer, Venlo, Maaseik und Maastricht nach Aachen.
Weiter als Ziele geplant sind für die nächste Zeit die Via Nova, eine Pilgerstrecke, die sich zwischen Niederbayern und dem österreichischen Salzkammergut erstreckt, und die Via Baltica. Sie führte im Mittelalter die Pilger aus den nordischen und baltischen Staaten über den Baltisch-Westfälischen Jakobsweg über Lübeck, Bremen und Osnabrück nach Westfalen.
Von dort gelangten sie auf ihrem beschwerlichen Weg zum Grab des Heiligen Jakobus in Santiago de Compostela über die rheinischen Pilgerwege nach Frankreich.
Im Kölner Dom gibt es den vorl. letzten Stempel
Nach Wißkirchen, dem Ausgangsort der Pilgerfahrten, ist es jetzt nicht mehr weit (Bild 7)